Wundverschluß (Nachtrag)

Euer BONSAI ART Forum.
Alles rund um Gestaltung, Pflege und allgemeine Fragen zu Bonsai.
Raphael
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... Guten Abend aus der Chirurgie

Beitrag von Raphael »

Aaaaalso - Pulsadern sind quer geschnitten nicht nur "zu leicht zu flicken", sondern die Leute, die zu scharf zu tief schneiden, verletzen sich die Sehnen und sowas kann einem schon die Samstag Nacht versauen.
AUCH MIT RÜCKSICHT AUF DIE NOTAUFNAHME IN EUREM ORT, LIEBE KINDER, NICHT NACHMACHEN ....!!!!!!!

Aber ernsthaft - ich bin im Moment dabei, die "dicksten Klopfer" unter den Tips zusammenzusammeln und denke mir, ich werde nächste Woche hier 'mal ein neues/altes Thema anstoßen. Dabei können wir dann auch nochmal das Thema Wundverschluß behandeln, ohne vielleicht die alten Positionen immer wieder hin- und herzuschieben.

Mir ist nämlich aufgefallen, daß es so einiges an "Tips und Tricks" gibt, was so garnicht zur "Physiologie des Baums" passen will.
Nein - ich will nicht den Oberbesserwisser 'raushängen lassen, sondern nur Dinge zur Diskussion stellen, die mir aufgefallen sind.
Mich wundert nämlich, daß es eine ganze Reihe von botanischen Fakten und Zusammenhängen gibt, von denen in keinem Buch etwas zu lesen ist. Beim einen oder anderen punkt kann ich mich wirklich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß Dinge getan werden, weil sie jemand sagt oder weil man's immer so gemacht hat. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange es funktioniert und das gut.

Aber hin und wieder sollte man die Dine auch 'mal hinterfragen dürfen, ohne gleich Gefahr zu laufen, der Palastrevolte gegen die Stahls und Buschs und wie sie noch so heißen verdächtigt zu werden.

Aber spätestens dann, wenn der Autor eines Buches die dort empfohlenen "Schmankerl" nicht mit seinen eigene Bäumen macht, ist zumindest insofern Skepsis angebracht, daß man vielleicht 'mal fragt, ob sich nicht schlicht der Kenntnisstand erweitert hat.

Ich schau' 'mal, daß ich über's Wochenende irgendwie einen Startschuß hinbekomme, und dann können wir hier mal so richtig heftig miteinander "streiten".

Raphael :D
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Holger, ich kann Dich trösten, das ganze ist 6 Jahre her und der Baum zeigt keinerlei Anzeichen von Fäule.
Ob ich den Baum anritze oder Äste abschneide, nimmt sich ja wohl nicht viel. Das Ergebnis zählt, nämlich , es wird Wachstum angeregt an der einen oder anderen Stelle, wo ist ja wohl egal.
Wenn wir jetzt noch eine Diskussion anfangen, wie empfindet der Baum,
können wir das Thema Bonsai ganz abhaken. Ich tue nichts, wovon ich voerher das Gefühl habe, das würde der Baum nicht verkraften, probiere allerdings alles, wovon ich die Überzeugung habe, es könnte die Qualität des Bonsais verbessern.
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Hier mal das Bild von der Eiche. Sieht die krank oder schwach aus? Der Stamm hatte eine unschöne Verdickung (2) und der Stammansatz darunter (1) war dünner.
Wie das Ergebnis zeigt konnte das mit der Methode gut ausgeglichen werden.
Bild
Holger
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Nightmare on Elm Street

Beitrag von Holger »

Hall zusammen!

@ Raphael: Ja, das mit den Fakten zur Baumphysiologie ist mir auch schon aufgefallen, aber vergiß es, daß will hier keiner wissen (das sagte jedenfalls der Thomas, oder so ähnlich, siehe auch sein letztes Posting zu diesem Thema), außer ich vielleicht, denn ich glaube, daß wir da so ziemlich auf einer Wellenlänge sind. Du kannst hier auf Shigo verweisen und einschlägige Fachliteratur zur Baumbiologie, es interessiert keinen, denn es sind ja nicht große Bäume, sondern kleine verzauberte japanische Bäume, die anscheinend ganz anders Leben. (Das einzige was mir dazu einfällt: Sie sind meistens jünger als die großen Brüder und haben mehr Energie um "Vergewaltigungen" zu kompensieren).
Vergiß es also, Du kannst es gerne machen, ich bin sehr gespannt, aber freu Dich schon mal auf eine "Drei-Meter-Watschen" (keine Ahnung wie die aussieht) von Thomas, denn sie wird kommen, soweit bin ich als Prophet geeignet...

Den Rest mache ich in einem zweiten Posting, dann ist es nicht so anstrengend und verwirrend zu lesen


Gruß
Holger
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AAAAAAAAAAAAAAAAARRRRRRRRRRRRRRRRGGGGGGGGGHHHHH!!!!!!!!

Beitrag von Holger »

Lieber Thomas!

Jetzt lehnst Du Dich aber wohl ein bißchen sehr weit aus dem Fenster.

Glaubst Du 6 Jahre sind ein Zeitraum für einen Baum? Leider krieg ich keine richtig gute Auflösung für die Vergrößerung hin. Es sieht baer so aus, als wären die Stellen der Einritzung noch gut zu erkennen und noch nicht verschlossen?! Ja Du hast den Stamm dicker werden lassen, er sieht auch besser, jedenfalls vom Anlauf her, aus. Bis auf die Einritzungen. Was sind denn für Dich Anzeichen von Fäule? Ein Pilzkörper, der nach aussen sichtbar ist. Keine Sau interessiert sich hier dafür, was im Baum passiert. Der Baum kann die Längsritze nur schwer verschließen, wie man sieht, eine runde Wunde wäre bei der Wundgröße wahrscheinlich schon geschlossen. Wahrscheinlich hast Du die Wunden auch zugekittet, prima. Und alles passierte am Wurzelhals, dér empfindlichste Teil des ganzen Baumes! Wir sprechen uns zu diesem Baum mal in 50 Jahren wieder.... :wink:
Der Rest des Postings zeigt mir, daß Du von Baumbiologie keine, aber auch wirklich keine Ahnung hast und wahrscheinlich auch nicht haben willst.
Du ritzt einen Baum an irgendeiner Stelle an (mich würde mal die Tiefe interessieren und wie groß die Wunde dann wird), diese verschließt sich dann vielleicht auch irgendwann, Problemstellen sind die Spitzen.
Eine Ast trennst Du hoffentlich am Astkragen ab und schneidest diesen nicht auch ab...Dieser wird nämlich dann die entstandene runde Wunde überwallen, nicht verheilen... Alle Seiten der Wunde (bei rund ist es schwierig von "Seiten" zu reden) wachsen gleich schnell und es gibt keine Probleme beim zuwachsen...
Mit Deinem Anritzen regst Du nicht wirklich Wachstum, oder nur indirekt Wachstum an. Es wird lediglich eine Wunde versucht zu verschließen, natürlich wachsen dabei auch Zellen, aber es geht eben um den Verschluß der Wunde nicht um Wachstum im eigentlichen Sinne (soviel Wortklauberei muß sein). Schneidest Du einen Ast ab und somit auch Blätter, so entstehen logischerweise neue Triebe, denn der alte muß ja ersetzt werden.
Es geht überhaupt nicht um "wie empfindet der Baum" sondern um was verträgt er auf lange Sicht gesehen und vor allem, wie bleibt er möglichst vital. Oder interessiert das einen Bonsaianer eigentlich gar nicht und kommt es nur auf die Gestaltung an. Dann auf wiedersehen, dann brauchen wir nicht mehr diskutieren, dann hat sich das für mich erledigt.
Lies mal ein gute Buch über Baumbiologie, es lohnt sich...
Nicht alles was Tradition und Philosophie ist auch immer uneingeschränkt gut. Vielleicht solltest Du Dich nicht nur auf Dein Gefühl verlassen..

Schönen Gruß

Holger

P.S.: Das war jetzt wieder viel Text zum verwirren und Besserwissen, aber so ist das eben.
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo,

also ich habe auch eine radikale „eigene“ Meinung. Ich sehe Bonsai als "Kunst" und nicht als eine gärtnerisch - biologische Arbeit. In der Kunst gehört "Leiden –schaft“ dazu. Also wenn wir z.B. einen Jamadori nehmen: vom Wind und Wetter "gequellt" durch Steinschlag beinahe abgestorben, nur durch eine schmale Saftbahn noch am Leben erhalten fristet er sein Dasein in einer unwirklichen Lebenswelt. Warum soll ich meinem Baum nicht einiges zutrauen (natürlich will ich ihn nicht töten), ich will, dass der Baum einen Charakter hat. Und für mich stärkt ein hohe Überlebensfähigkeit den Charakter. Ich denk aber ein gesunder Mittelweg ist wohl wie überall das Richtige. Na ja aber ich muss auch sagen, dass sich meine Meinung oft ändert z.B. Jin und Shari konnte ich früher nicht ausstehen und nicht verstehen, jetzt interessiere ich mich immer mehr dafür .....dies währe auch eine interessante Möglichkeit der Wundbehandlung??!!
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Hallo Holger,
nur zur Info, ich bin von Haus aus Biochemiker und habe da u.a. auch 4 Semester Biologie, Pflanzenphysiologie und Biochemie der Pflanzen studiert.
Ob Wundwachstum oder Längen- bzw. Dickenwachstum, Wachstum ist Wachstum. Ich will jetzt hier nicht noch die Definition für Wachstum anbringen, die kannst Du in Deinen vielgepriesenen Lehrbüchern nachlesen.
Das ganze Blabla von wegen, wie sieht es im Inneren des Baumes aus und wer weiß, ob der Baum in 50 Jahren aussieht, ist doch Unfug.
An den Einschnitten stirbt er jedenfalls nicht.
Wenn ich gestalten will, muß ich Eingriffe machen. Würde mir der Baum
über alles gehen, würde ich ihn in die Natur pflanzen und ihn sein normales Baumleben leben lassen. Mir geht es aber um die Gestaltung. Darum betreibe ich Bonsai. Natürlich muß mir auch am Überleben des Baumes in höchstem Maße gelegen sein. Denn meine Gestaltung soll ja leben, das gehört zu Bonsai dazu. Ich muß also immer einen Kompromiß
zwischen dem machen, was ich mir an Gestaltung vorstelle und dem was der Baum verkraftet und bei manchen Sachen auch bis an die Grenzen dessen gehen, was man einem Baum zumuten kann.
Ein paar Grundkenntnisse an Baumbiologie, wie Du es nennst , sind da sicher auch notwendig, aber in erster Linie Erfahrungswerte, eigene bzw.
die der großen Meister. Die Techniken dazu (das Einritzen ist ja ein vergleichsweise kleiner Eingriff) sind hundertfach erprobt und beschrieben.
Wer ernstaft Bonsai betreiben will kommt an solchen Eingriffen nicht vorbei, aber dazu gehörst Du sicher nicht. Ich weiß sowieso nicht, wie und v.a. warum Du überhaupt Bonsai betreibst, wenn überhaupt. Ich würde gern mal so einen Wunderbaum sehen, der ganz ohne Eingriffe, quasi Öko-pur, gestaltet wurde.
Holger
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Beitrag von Holger »

Hallo Thomas!

Einen Wunderbaum wirst Du nicht zu sehen bekommen, denn das funktioniert nicht. sicherlich passieren mir auch Fehler und bei so manchen Sachen habe ich mir schon in den A... gebissen. Ich versuche nur einen für mich akzeptablen Weg zu finden, einen Baum zu gestalten. Dabei kommt es mir weniger darauf an, ob das nun nach den Regeln der Bonsaikunst erfolgt, ist mir ziemlich egal (nein, das ist falsch ausgedrückt, es gibt einfach ein paar Sachen, die ich nicht akzeptabel finde, dazu gehören Bäume anritzen und Stämme abschnüren). Sicherlich ist da eine Grauzone, was für mich, wenn man's so nennen will, "moralisch" vertretbar ist. Auch stecke ich sicher noch nicht so tief in der Bonsaimaterie wie Du, dafür betreibe ich das ganze noch nicht lang genug. Für mich hat das nur nichts mit Ernsthaftigkeit zu tun. Ich wehre mich nur dagegen, einige Regeln (und das gilt auch für andere Lebensbereiche)als gegeben hinzunehmen und für absolut notwendig anzusehen. Als Beispiel Deinen angeritzten Baum. Ich habe auch einen, der eine etwas dickere Stelle hat, aber ich finde das durchaus normal und nicht unbedingt unschön, für mich es nicht ein optimales Ding sein, sondern ich persönlich muß meinen Gefallen daran finden und muß mit dem klar kommen, was ich für nötig halte. Ich bin selbst Gärtner, wie ich schon öfter erwähnte. Ich heule bestimmt nicht jedesmal, wenn ein Baum für eine neue Anlage weichen muß, manche Sachen sind einfach unumgänglich, aber bei falscher Pflege (die ich Dir jetzt nicht unterstelle, das wäre sehr anmaßend, ich beziehe mich jetzt auf andere Gärtner, bitte, bitte, nicht angesprochen fühlen), z.B. Baumpflege kriege ich ein echtes Hörnchen. Also, bitte verstehe mich nicht falsch, die Bonsaikunst ist selbstverständlich etwas ganz anderes als Baumpflege und andere gärtnerische Tätigkeiten. Aber Dali hat auch nicht wie Picasso oder van Gogh gemalt und jeder dieser Personen hatte seinen eigenen Stil und Erfahrungen und Wünsche. Mein Wunsch besteht darin, kleine Bäume zu gestalten, die nicht unbedingt einen Shari haben, oder einen makellosen Stamm, sondern ihren ganz eigenen persönlichen Charakter entwickeln, eben ein Abbild der Natur werden. Dabei sind Jin und shari nicht zu verdammen, aber ich glaube, ich würde für einen Jin nicht unbedingt einen Ast opfern, nur um einen Baum mit Jin zu haben. Das kann sich ganz von selbst ergeben.
Wir könnten uns darauf einigen, daß wir verschiedene Gestaltungsmethoden haben und zudem ohne Zweifel andere Ansprüche an die Bäume.


Viele Grüße

Holger
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Holger, ich akzeptiere, daß Du andere Ansichten über Gestaltung und Behandlung der Bäume hast.
Was mich immer auf die Palme bringt, ist das Anzweifeln und Verteufeln all dessen, was eigentlich die Grundtechniken und -methoden sind, sozusagen das Rüstzeug, was man brauch, um zu qualitativ hochwertigen Bonsai zu kommen.
Wie soll man Einsteiger weg von ihrer Sämlingsgärtnerei bringen, die in den meisten Fällen dazu führt, früher oder später die Lust an Bonsai zu verlieren, wenn man ihnen nicht mal aufzeigt, was möglich und machbar ist, um zu Bäumen zu kommen, die sie auf diversen Ausstellungen bewundert haben.
Wenn Du dann kommst und schreibst: Um Himmels willen, laßt das sein ... der arme Baum stirbt Euch... laut Baumbiologe XYZ geht das gar nicht ... , wird selbst der Mutigste verunsichert und läßt im Zweifelsfall lieber die Finger davon und doktert weiter mit seinen Indoors herum. Ethikdiskussionen zu führen, bringen auch nicht weiter.
Da dürfte man, wie oben schon geschrieben, einen Baum überhaupt nicht in eine Schale pferchen.
Das ist wie die Story mit den militanten Tierschutzmönchen, die mit Mundtuch durch die Gegend laufen, damit sie ja keine Fliege verschlucken.
Ich denke, daß ich bemüht bin, meinen Bäumen bestmögliche Bedingungen zu bieten.
Nur bei absolut vitalen Pflanzen gehe ich an Gestaltungen heran, im Zweifel lasse ich es vorerst sein.
Mir ist jedenfalls noch kein Baum nach oft auch extremen Umgestaltungen eingegangen, eher durch individuelle Pflegefehler oder Witterungseinflüsse bzw. Schädlinge, aber die kann ich an einer Hand abzählen.
Walter Pall

Beitrag von Walter Pall »

Hier einiges zum Wundverschluß. Vieles wurde hier shcon gesagt.

(1) Wundverschluss
Die beim Schneiden entstehenden Wunden müssen nicht immer behandelt werden. Der Baum hilft sich meistens besser selbst, als der Mensch. Ganz kleine Wunden, bis zu 3 mm Durchmesser kann man unversorgt lassen. In der aktiven Periode ,also im späten Frühjahr, Sommer und Frühherbst kann der Baum die Wunden rasch selbst verschließen. In der Ruheperiode sollte man die Wunden vor dem Austrocknen schützen.
Ganz große Wunden, wie sie entstehen, wenn eine großer Ast oder Stamm abgeschnitten wird, heilen oft nie oder erst nach vielen Jahren zu. Die Wundstelle wird immer sichtbar bleiben. Man versucht deshalb, die Wunde so zu legen, dass sie von vorne möglichst unsichtbar ist. Manchmal kann man auch einen kleinen Ast genau vor der Wunden wachsen lassen, dass er sie kaschiert. Meist wird empfohlen, solche große Wunden mit einer Konkav- oder auch Knospenzange sauber auszuführen. Dann entstehen saubere, runde Wundränder, die auch noch nach Jahrzehnten so aussehen, als hätte jemand einen sauberen Schnitt gemacht. Besser ist es, die sauberen Wundränder mit einem scharfen Messer oder einer kleinen Konkavzange nachzuarbeiten. Sie werden absichtlich ausgezackt und ev. ausgerissen. Es soll so aussehen, als sei ein Ast ausgerissen worden. Diese Wunden kann man in freier Natur bei uralten Bäumen sehen. Saubere alte Wunden gibt es nur an Obst- und Alleebäumen.
Bei Nadelbäumen wird man große Wunden ohnehin vermeiden und eher einen Jin gestalten. Bei Laubbäumen ist oft ein großes Loch besser als eine saubere Wunde.
Als Gründe für den Wundverschluss werden genannt :
· Die Zellen werden verschlossen und dadurch geht weniger Saft verloren.
· Der Baum wird vor Infektionen geschützt, vor allem von Pilzbefall.
· Das Zurücktrocknen der Wunde wird verhindert, weil die Rindenränder feucht bleiben.
· Die Kallusbildung wird durch den Wundverschluss verstärkt.
Das Amt für Landwirtschaft und Bodenkultur in Regensburg sagt allgemein zu Wundverschlussmitteln : Die Geschwindigkeit der Wundheilung hängt ab von der Wüchsigkeit des Baumes, der Rindendicke und auch davon, ob die Wunden an einem steilen oder flachen Ast an der West- oder Ostseite ist. Wundverschlussmittel beeinflussen zumindestens bei kleineren Wunden die Überwallung kaum. Sie können sich sogar ungünstig auswirken, wenn sich der Belag mit der Zeit abhebt und sich dann zwischen Belag und Holz Wasser ansammelt. Die größte Bedeutung der Wundverschlussmittel liegt im Schutz des freigelegten Holzes vor dem Austrocknen bzw. Vermorschen. Es dürften deshalb die Präparate am besten sein, deren Belag am längsten geschlossen bleibt und sich nicht abhebt.
An der Cornell University wurde festgestellt, dass Wundverschluss an Wurzeln genau so sinnlos wie an Ästen und Stamm ist . Die Natur hilft sich selber viel besser.
In der Praxis der Baumschulen hat sich in Mitteleuropa Lacbalsam als das am meisten verwendete Mittel durchgesetzt. Er entspricht der Forderung nach einem dauerelastischen, atmungsaktiven Verschlussmittel. Allerdings wird Lacbalsam doch etwas hart und spröde. Im Vergleich dazu sind die aus Japan importierten grauen Knetverschlussmittel bedeutend besser. Sie bleiben auch noch nach Jahren elastisch und geben nach, wenn die Kallusbildung voranschreitet. Außerdem soll sich in ihnen ein Wachstumshormon befinden, was die Kallusbildung begünstigt. In der Praxis zeigt sich tatsächlich, dass diese teuren Mittel bei weitem die besten für den Wundverschluss sind.
In Japan verwendet man Chinatinte, um frische, große Wunden an Laubbäumen vor dem Austrocknen zu schützen. Man trägt die echte Chinatinte auf die gesamte Schnittfläche und auch leicht über die Ränder auf um das ?Verbrennen? der Schnittflächen zu vermeiden.
Für Alex L. Shigo bringen alle ihm bekannten Wundverschlussmittel dem Baum keine Vorteile. Wundverschluss und Kallusbildung haben nichts zu tun mit Fäulnisbildung. Er empfiehlt zur schnelleren Kallusbildung eine physiologisch richtige Formierung der Wunde, nämlich eine Abrundung, sauberen Schnitt und ökologische Verbesserung des Standortes.
Nick Lenz hat mit Erfolg Wagenschmierfett als Wundverschlussmittel benutzt. Bei Koniferen lässt das Kalluswachstum an größeren Wunden nach einiger Zeit nach, weil der Harzfluss nachlest. Wenn über die eintrocknende Stelle kräftig Wagenschmiere (ein zähflüssiges Fett) aufgebracht wird, bleibt die Wunde feucht und wird weiter von Kallus verschlossen. Es ist zwar nicht schön, aber hilfreich, wenn über das Ganze noch Aluminiumfolie gewickelt wird, die die Feuchtigkeit dauerhaft hält. Ein noch besserer Wundverschluss ist nach Nick Lenz Vaseline. Sie wird einfach dünn an den Wundrändern aufgetragen und verhindert das Austrocknen.
Schon immer haben Gärtner in offene Baumwunden einfach feuchten Lehm verrieben. Dies wird auch von den alten Chinesen berichtet. Dies hat zwei gute Gründe: Einmal wird die offensichtliche Wunde verdeckt und fällt nicht mehr auf. Wenn die Erde der Rindenfarbe ähnlich ist, dann wird die Wunde sogar unsichtbar. Anderseits wurde festgestellt, dass diese Prozedur sogar der Wundheilung dient . Der Laie würde auf Anhieb genau das Gegenteil vermuten. Tatsächlich verhindert die Erde das Austrocknen der Wundränder und ermöglicht so den Fluss von Hormonen, die für rasche Kallusbildung sorgen. Außerdem hat man herausgefunden, dass es Erdpilze gibt, die von Schädlingen leben und die Heilung der Wunde beschleunigen.
Man muss beim Wundverschluss auch die Baumart berücksichtigen. Laubbäume heilen die Wunden zwar meist rasch zu, das Holz verrottet aber auch sehr rasch. Nadelbäume heilen sehr langsam, aber das Holz verrottet nur sehr langsam.
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Hallo und Willkommen im Forum Herr Pall,
vielen Dank für die prominente Unterstützung mit dem umfangreichen Beitrag.
Schön das mal jemand von den großen Meistern hier in dem doch weitgehend von Einsteigern frequentierten Forum vorbeiklickt.
Holger
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Beitrag von Holger »

Hallo zusammen!

Ja, das war mal ein Beitrag der so ziemlich alles zu diesem Thema objektiv zusammenträgt. Da kann sich dann jetzt wohl jeder seinen passenden Teil herausnehmen und danach arbeiten. Vielleicht sind wir alle noch ein bißchen zu eingefahren und sehen immer nur die eine oder andere Seite und vergessen ein bißchen die Objektivität. Also nochmals Danke für diesen Beitrag, es ist wohl doch auch eine philosophische Frage?

@ Thomas: Wie gesagt, ich war etwas erschrocken über die Flex-Methode, aber egal. Es ist außerdem völlig okay, wenn Du von der Sämlingsprobiererei abrätst, ich halte auch nichts davon. Ich habe auch nicht behauptet, daß diese Methoden nicht funktionieren, aber für die meisten hier im Forum wohl doch ein etwas zu hohes Ross ist und wie Raphael sagte, "Dich mal locker einen Baum kosten können". Ich habe auch nicht behauptet, daß der Baum davon zwangsweise stirbt, aber zumindest schwächt es ihn, egal wie vital er ist. Ich will hier aber auch nicht die Kunst umdrehen, macht, was ihr für richtig haltet. Ich bin nur der Meinung, daß vielfach diese Methoden die Ursache für Schädlingsbefall sein können.
Deshalb "verteufele" ich sie, denn was habe ich davon, wenn ich den gestalteten Baum erst wieder in Quarantäne stecken muß und ihn teuer mit Pflanzenschutzmitteln behandle. Aber, das muß jeder selbst entscheiden.

Gruß

Holger
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Thomas
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Beitrag von Thomas »

Hallo look,
mach doch einen neun Beitrag auf für Anfragen!
Grundsätzlich schneidet man die Wundränder gerade und schneidet oder fräst die Wunde aus, sodaß man im Endeffekt eine ovale Schnittfläche , die sich nach innen wölbt, erhält. Wann man das macht, richtet sich nach der Baumart, ebenso ob man Wundverschluß braucht oder nicht . i.d.R. macht man das bei Laubarten vor dem Austrieb.

Unter folgendem Link findest Du paar Bilder von gut behandelten Wunden.
http://bonsai-fachforum.de/ftopic3854.html
benutzername
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Beitrag von benutzername »

wenn ich auch mal was dazu sagen darf: das einzige, was ich als Wundverschluß wirklich empfehlen kann, das ist Jinmittel, Polysulfit, also das, was man entweder teuer kaufen muß oder aber auch selbst herstellen kann, aber es stinkt fürchterlich! Dieses Mittel schützt zuverlässig gegen Holzinfektionen jeder Art, es läßt Luft ans Holz zum Abtrocknen, und sollte eine Baumwunde nicht schnell genug abheilen, dann pinselt man eben nach paar Jahren wieder etwas drauf. Es ist wirklich das einzige, was nicht die Wunde zupappt, Feuchtigkeit nicht zurückhält und der Fäulnis Einhalt gebietet. So hat auch eine Baumwunde noch nach Jahren die Chance, zu verheilen und nicht zum großen Loch zu verderben. Alles andere ist nur teuer und ungeeignet. Einziger Nachteil: es ist sichtbar, und zwar deutlich.
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